Es geht in die letzten Tage vor dem errechneten Geburtstermin und einige Schwangere haben noch einen Kontrolltermin beim Gynäkologen oder in der Geburtsklinik. Immer wieder schildern mir Schwangeren ab der 38./39. SSW oder spätestens am errechneten Geburtstermin folgendes Erlebnis: „Mein Gynäkologe hat mich vaginal untersucht und mir im Anschluß gesagt, er habe dabei „ein bißchen etwas angestubst um die Geburt in Gang zu bringen.“ Was genau wurde gemacht?
Muttermund gedehnt, Eihaut abgelöst
Dabei handelt es sich in den allermeisten Fällen um sogenanntes Muttermund-Stripping oder Eipollösung. Dabei wird während einer vaginalen Untersuchung mit dem Finger der Muttermund etwa 1cm aufgedehnt und die Eihäute des Babys (äußere Hülle der Fruchtblase) vom inneren Muttermund gelöst. Diese Prozedur kann schmerzhaft sein und zu Blutungen führen. Der Grund dahinter ist, dass davon ausgegangen wird, mit diesem Eingriff die Prostaglandinausschüttung anzuregen und so die Geburt ins Rollen zu bringen. Ich kenne sogar berichte von Erstgebärenden, bei denen dieser Eingriff ab SSW 38 wöchentlich durchgeführt wurde, obwohl kein Anlass zur Einleitung bestand.
Nicht ohne Zustimmung der Schwangeren!
Es ist wichtig, zu wissen, dass es sich beim Muttermund-Stipping/Eipollösung um eine mechanische Einleitungsmethode handelt, die ohne die Zustimmung der Schwangeren nicht vorgenommen werden darf! Da einige ÄrztInnen dies im Zuge der letzten Untersuchungen ungefragt durchführen, empfehlen wir VOR dem Termin auszusprechen, dass eine Eipollösung nicht erwünscht ist. Meiner Meinung nach wirft dieser Eingriff auch die Frage auf, ob mein Arzt/meine Ärztin kein Vertrauen in meine Fähigkeit zu gebären hat. Warum ist er/sie der Meinung die Geburt meines Babys würde nicht natürlich beginnen? Mit diesem negativen Gefühl, sollte keine Schwangere in die Geburt gehen.
Eindringen von Keimen begünstigt
Normalerweise ist die Fruchtblase, in der sich das Baby befindet, so vor dem Muttermund plaziert, dass das Eindringen von Keimen verhindert wird, welche eine Infektion verursachen könnten. Dieser Schutzmechanismus wird durch die Eipollösung ausgehebelt.

Außerdem besteht beim Zervix-Stripping die Gefahr, die Fruchtblase zu verletzen oder gar zum Springen zu bringen. Ein sogenannter vorzeitiger Blasensprung (Blasensprung ohne Wehen) führt in vielen Fällen zu weiteren Maßnahmen, da sich mit eröffneter Fruchtblase ebenfalls das Infektionsrisiko erhöht. Bei jeder vaginalen Untersuchung besteht im Übrigen das Risiko Keime in die Scheide einzuschleppen. Aus diesem Grund sollte von häufigen, vaginalen Untersuchungen abgesehen werden. Eine solche Untersuchung könnt ihr selbstverständlich auch komplett ablehnen. Ganz besonders wenn ihr als „Versuchsobjekt“ für Personal in der Ausbildung herangezogen werdet oder im Zuge eines Schichtwechsels einmal zu oft anstatt einmal weniger „getastet“ werden soll.
Das Baby gibt nicht den Startschuss
Ein weiteres Problem der Eipollösung ist, dass das Baby nicht den Startschuss gibt. Wenn die Lungenreife des Babys abgeschlossen ist, wird ein Signal in Form eines Proteins abgegeben und das Gehirn der Mutter produziert wehenanregendes Oxytocin: Die Geburt beginnt. Bei der Eipollösung soll Prostaglandin ausgeschüttet werden, welches jedoch nicht Wehen sondern lediglich die Reifung des Muttermunds begünstigt. So kann dieser Eingriff also dazu führen, ein Baby auf die Welt zu bekommen, welches noch nicht bereit ist, geboren zu werden.
Eine Einleitung um eine Einleitung zu verhindern….
Viele ÄrztInnen rechtfertigen den Eingriff vor der Schwangeren mit der Aussage: „…um eine Einleitung zu umgehen.“
Es handelt sich also um eine (mechanische) Einleitung, die eine (medikamentöse) Einleitung verhindern soll. Doch auch eine medikamentöse Einleitung in der Klinik darf von den ÄrztInnen lediglich als Vorschlag oder Empfehlung ausgesprochen werden und ist niemals zwingend. Und niemand weiß, ob eine medikamentöse Einleitung tatsächlich notwendig wird? Ist der Befund einer vaginalen Untersuchung an ET+10 noch Geburtsunreif, kann das Baby trotzdem 24 Stunden später ohne Zutun von außen bereits geboren sein. Geburt ist nicht berechenbar, Geburt verläuft nicht linear, Prognosen über den Beginn einer Geburt abzugeben sind also wie das Lesen einer Kristallkugel.
Was jedoch Zahlen und Fakten beweisen, ist, dass eine Einleitung Risiken für Mutter und Baby birgt. Eine Einleitung sollte also nur dann durchgeführt werden, wenn die Risiken bei Verbleiben des Babys im Mutterleib höher sind als jene der Einleitung. Und das ist es in vielen Fällen nicht.

Darum nutzt Vranni um genau zu hinterfragen, welche Risiken bestehen, wenn weiter zugewartet wird (mit möglicherweise engmaschigeren Kontrollen). Ich höre immer wieder von Müttern, die nach gescheiterten Einleitungsversuchen AUF NACHFRAGE wieder nach Hause geschickt werden mit den Worten: „Es ist kein Notfall und wenn Sie es möchten, können wir auch gerne noch zuwarten.“
Unkontrollierte schmerzhafte Wehen, nicht Muttermundwirksam
Betroffene von Muttermundstripping berichten vom Einsetzen heftiger, unkontrollierter Wehen mit kaum Wehenpausen, welche zudem nicht Muttermundwirksam waren (den Muttermund nicht öffneten). Nicht selten kam es zu einem Kaiserschnitt aufgrund eines schlussendlich diagnostizierten „Geburtsstillstands in der Eröffnungsphase“.
Einige Studien sagen, dass dieser Eingriff eine Schwangerschaft um einige Tage verkürzen kann, andere sagen, dass dies nicht der Fall ist. Aber alle Studien haben festgestellt, dass Einleitungen jeglicher Art zahlreiche Risiken für Mutter und Kind mitsich bringen. Wenn du zu den wenigen Fällen gehörst, wo Muttermund-Stripping zu einer schönen, komplikationslosen Geburt geführt hat, freuen wir uns natürlich für dich. Es liegt jedoch nahe, dass dein Baby wahrscheinlich auch ohne diesen Eingriff in Kürze geboren worden wäre.
Einleitungen dürfen jedoch nicht generell verteufelt werden. Es gibt absolute, medizinische Indikationen dafür und auch bei einem vorangegangenen Kaiserschnitt kann bspw. eine mechanische Einleitung wie diese, einer medikamentösen vorzuziehen sein wenn ansonsten ein erneuter Kaiserschnitt im Raum stünde.
Jeden Eingriff genau hinterfragen
Generell gilt jedoch, dass alles zwischen 37+0 und 42+0 eine termingerechte Geburt ist und jedes Baby eine unterschiedliche Reifezeit hat. Vorzeitiges Auslösen oder Beschleunigen einer Geburt ist nicht notwendig wenn es Mutter und Baby gut geht und sollte genauestens hinterfragt werden.
Wir bedanken uns bei @alexandriaduran, welche Muttermundstripping in den USA thematisiert hat.
Wurde dieser Eingriff bei dir vorgenommen und wurdest du davor gefragt? Wie verlief die Geburt?